Jedesmal, wenn ich in Wuppertal-Beyenburg bei meinen Schwiegereltern bin, nutze ich gern die Gelegenheit in meine Marathonvorbereitungen möglichst viele Höhenmeter einzubauen. Bereits Ostern bin ich von Beyenburg über Halver nach Schalksmühle zu meiner Mutter gelaufen. Die Strecke habe ich mir schon vor einem Jahr ausgetüftelt. Diesmal will ich aber eine Alternative auskundschaften, um nicht entlang der Bundesstraße zwischen Radevormwald und Halver laufen zu müssen.
Zwar kenne ich die Strecke schon recht gut, aber ich beschließe dennoch mein GPS-Gerät (Garmin Gecko 201) mitzunehmen. Schließlich will ich die Strecke ja aufzeichnen und später bei gpsies.com dokumentieren.Es ist Mittwoch der 22. Juli 2009, 8:35, als meine Gudrun das Vorher-Foto schießt und ich mich im feinen Nieselregen auf den Weg mache. Die ganze Nacht über hatte es heftig gewittert und auch für den heutigen Tag waren Schauer und bisweilen Gewitter angesagt. Es war mit rund 21° C bereits am Morgen schon so warm und schwül, dass ich beschließe ohne Jacke loszulaufen.
Nach wenigen Minuten erreiche ich im Tal den Abzweig nach Remlingrade. Das Dorf ist malerisch in die Berge zwischen Schwelm und Beyenburg eingebettet. Die Straße ist zum Glück kaum befahren, Kühe auf den Weiden beäugen mich neugierig, als ich die Straße hinauf trabe. Bei solchen Steigungen habe ich mir einen lockeren Trim-Trab-Schritt angewöhnt. Es macht mir kaum etwas aus, die rund hundert Höhenmeter bis nach Remlingrade zu überwinden. Der feine Nieselregen beschließt, sein Tun etwas zu intensivieren. Es ist aber bei den schwülen Temperaturen dennoch ganz angenehm, mit einem feuchten T-Shirt zu laufen.
Nach knapp einer halben Stunde erreiche ich Remlingrade. Ich hätte doch die Batterien im Garmin wechseln sollen, denn nun sind sie fast leer. Ich tausche die Batterien gegen ein Paar frische aus und trabe gleich weiter. Es warten noch rund 50 Höhenmeter bis zur Kreuzung (L130) auf der Höhe auf mich.
Geradeaus geht es wieder ins Tal und danach wieder rauf. Das klingt anstrengend, ist es aber gar nicht. Schließlich laufe ich ja keinen Wettkampf. Für mich ist es einfach schön, im Bergischen Land zu laufen. Das Mittelgebirge östlich von Düsseldorf gelegen ist benannt nach der ehemaligen Grafschaft Berg. Die Namensgebung hat nichts mit der bergigen Landschaftsform zu tun. Das Berliner Umland hat einfach zu wenig Berge, um Abwechslungen dieser Art in die Marathonvorbereitungen einzubinden. Deshalb kann ich nur jedem empfehlen im Urlaub auch einmal anspruchsvollere Strecken auszuprobieren.
Immer wieder gibt es von den Höhen sehr schöne Ausblicke auf die Landschaft. Dass es inzwischen etwas stärker regnet, habe ich kaum wahrgenommen. Ich bin froh, dass der leichte Wind auf der Höhe für ein wenig Abkühlung sorgt. Jenseits der L130 sorgt das starke Gefälle für mehr Tempo. Es läuft sich einfach gut. Es fühlt sich entspannt an. In Gedanken male ich mir schon die folgenden Streckenabschnitte aus. Ich bin mir nun nicht mehr ganz so sicher, in welcher Reihenfolge sich mir die Landschaftseindrücke erschließen. Obwohl es noch gar nicht so lange her ist, dass ich diese Strecke gelaufen bin, kann ich mich an die Details entlang der Strecke nicht immer erinnern.
Ein Höhepunkt der Strecke ist für mich die Löhrmühle, ein historisches Kleinod der Stadt Halver, gelegen in ländlicher Idylle am Stadtrand. Gut zwei Stunden nach meinem Start erreiche ich die Wassermühle. Heute ist die Mühle bewohnt, viellicht auch nur als Wochenend-Domizil. Jetzt sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Halver. Die Stadt liegt auf einem Berg rund 430 Meter über dem Meeresspiegel. Dort ist auch der höchste Punkt meiner Laufstrecke.
Meine Trinkflasche ist fast leer, ich muss sie dringend nachfüllen. Die Temperaturen sind sicher schon auf 23° C gestiegen. Eine gute Gelegenheit bietet sich am städtischen Friedhof. Die Friedhofsbesucher haben einen merkwürdigen Blick drauf, als ich auf den Parkplatz trabe und zielstrebig auf den Eingang des Friedhofs zusteuere. Direkt dort ist eine Wasserstelle. Es muss Trinkwasser sein, jedenfalls gibt es keinen Hinweis darauf, dass es kein Trinkwasser ist. Ich habe mal gelernt, dass bei öffentlich zugänglichen Wasserhähnen oder Brunnen immer angegeben sein muss, wenn es sich dabei nicht um Trinkwasser handelt.
Ich bin jetzt gut zweieinhalb Stunden unterwegs und bekomme so langsam Hunger. Für den Notfall habe ich ein paar Euro in der Tasche. Ich verkneife es mir, sie gegen einen Schoko-Riegel einzutauschen und begegne dem Grummeln im Magen lieber mit ein paar großen Schlucken aus der frisch gefüllten Trinkflasche. Denn Essen bei langen Läufen halte ich für kontraproduktiv. Warum sollte der Körper denn Glykogenreserven anlegen und den Pool notwendiger Enzyme für die Fettverbrennung vergrößern, wenn er unterwegs etwas nachgefüttert bekommt. Ich kenne das: Wenn ich ausreichend trinke, lässt das Hungergefühl schnell wieder nach. Es dauert wirklich nicht lange, und der kleine Hunger ist verschwunden. Nun geht es bis nach Schalksmühle nur noch bergab. Es läuft sich locker und zügig. Natürlich merke ich die bisher zurück gelegten Kilometer in den Beinen, fühle mich aber noch fit.
Ich überlege kurz, ob ich noch einen Abstecher nach Lüdenscheid machen soll. Ich verwerfe den Gedanken gleich wieder. Es kämen dann ja noch gut 20 Kilometer zu den ursprünglich 20 Kilometern dazu. Für einen Spontan-Ultra fühle ich mich dann doch noch nicht fit genug. Außerdem warten Gudrun und die Kinder bei meiner Mutter in Schalksmühle. Gemeinsam wollen wir ja meinen Geburtstag feiern.
Zügig geht es im Laufschritt durch das Hälvertal nach Schalksmühle. Dann sind es nur noch gut zweihundert Meter die Bergstraße hinauf und ich bin nach 3:17:29 im Ziel. Svenja begrüßt mich freudestrahlend als ich vor dem Haus meiner Mutter noch ein wenig dehne. Das Wasser fließt dabei nur so aus allen Poren. Mir ist ziemlich warm. Ich freue mich schon auf die Dusche. Vorher macht Svenja noch das Nachher-Foto.
Kleiner Nachtrag: Zum Mittagessen ein kleiner Brunch, ab 15:30 dann Kaffee und um 18:30 Abendessen vom Grill. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, gestern mehr Kalorien zu mir genommen zu haben, als ich bei dem Lauf verbraucht habe. Also: morgen wieder laufen! Mindestens 20 Kilometer. 😉