Etappenlauf Teil 2:
Trinkwasser aus Görings Vorgarten in der Schorfheide

Die Route (<a href="http://www.gpsies.com/map.do?fileId=todyabnzkufelaxq" target="_blank">gpsies.com</a>) von Biesenthal nach Templin führt mitten durch die Schorfheide.
Die Route (gpsies.com) von Biesenthal nach Templin führt mitten durch die Schorfheide.

Der Wecker holt mich gegen halb sieben aus dem Tiefschlaf. duschen, Zähne putzen, Rucksack packen und ein Müsliriegel gegen den ersten Hunger. Frühstück gibt es in der Pension in Biesenthal nicht, dafür ist sie sehr preiswert. Aber die Bäckerei hat schon seit sechs Uhr geöffnet. Ich mache mich auf den Weg, genieße das Frühstück und trabe zwanzig Minuten später weiter nach Norden. Templin ist mein heutiges Tagesziel, rund 50 Kilometer. Zum Glück soll es heute nicht so heiß werden, behauptet der Wetterdienst im Internet.

Die geplante Route verspricht interessanter zu werden als die gestrige. Denn sie führt mich durch die Schorfheide, ein ausgedehntes Naturschutzgebiet, in den Landkreisen Barnim, Uckermark und Oberhavel. Auf dem Weg dorthin durchquere ich ausgedehnte Wälder. Es ist schwül und etwas diesig.

Idylle pur: Von seiner schönsten Seite zeigt sich die Große Kiesgrube bei Marienwerder im Morgenlicht. (Foto: Jörg Levermann)
Idylle pur: Von seiner schönsten Seite zeigt sich die Große Kiesgrube bei Marienwerder im Morgenlicht. (Foto: Jörg Levermann)

Idyllisch zeigt sich die Große Kiesgrube bei Marienwerder im Morgenlicht. Schilf und Bäume spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche. Ich bin drauf und dran, meine Sachen abzustreifen und eine Runde schwimmen zu gehen, verzichte aber darauf, laufe weiter durch Marienwerder. Es wirkt etwas verschlafen, dabei dürften die meisten Bewohner schon an ihren Arbeitsplätzen außerhalb des Ortes sein.

Freizeitparadiese an Seen und am Kanal

Kurze Zeit später überquere ich den Oder-Havel-Kanal und den Werbellinseekanal. Wie Perlen einer Kette verbindet die alte Wasserstraße den Oder-Havel-Kanal mit dem Pechteichsee, dem Rosenbecksee und bei der Ortschaft Wildau dem Werbellinsee. Die Kanäle und Seen sind beliebt bei Wassersportlern, vor allem bei Freizeitkapitänen mit größeren und kleineren Motorbooten. Abgelenkt von der Landschaft am Werbellinsee achte ich nicht auf die vorgezeichnete Spur meines GPS-Gerätes, folge einfach dem Radweg. „Umkehren wäre jetzt auch blöd“, geht es mir durch den Kopf als ich sehe, dass ich von der ursprünglichen Route abgewichen bin. Also verlasse ich bei der nächsten Gelegenheit den Radweg und Laufe Richtung Norden, bis ich wieder auf die geplante Strecke treffe, am südlichen Anfang der Schorfheide.

Naturverpflegung in der Schorfheide

Schnurgerade geht es durch die Schorfheide. Rechts und links gibt es jede Menge Waldhimbeeren und Heidelbeeren.
Schnurgerade geht es durch die Schorfheide. Rechts und links gibt es jede Menge Waldhimbeeren und Heidelbeeren.

Große zusammenhängende Kiefernwälder prägen das leicht wellige Landschaftsbild. Dazwischen gibt es noch kleinere Waldareale mit Buchen. Nur wenige Lichtungen säumen die Strecke. Dabei habe ich mir die Landschaft aufgrund des Namens viel offener vorgestellt – eben heidemäßig. Ein kilometerlanger Gestellweg führt mich schnurgerade durch die Kernregion des Naturschutzgebietes. Inzwischen ist es nun doch wärmer geworden, als vorausgesagt oder ich empfinde es nur so. Ich genieße die Heidelbeeren und Waldhimbeeren, die hier in rauen Mengen wachsen. So langsam geht der Inhalt meiner Trinkflaschen zur Neige. Ich muss dringend nachtanken.

Nächster Halt: Wasserstelle Wucker

Zwei langgezogene, flache Häuser, vermutlich aus den dreißiger-vierziger Jahren, mit Giebeldach, eine Schotterstraße, Gärten und zwei merkwürdige turmförmige Gebäude rechts und links der Straße – das ist der Ort Wucker. Er liegt direkt neben meiner Laufstrecke. Dort will ich Wasser tanken. Ich schelle am ersten Haus – es ist niemand da. Direkt gegenüber bin ich erfolgreicher. Ein älterer Herr mit schütterem weißem Haar bittet mich freundlich in seinen Garten, als ich ihn nach Leitungswasser für meine Trinkflaschen frage. Zwei kleine verspielte Hunde necken sich, turnen zwischen meinen Beinen umher. Wir kommen ins Gespräch. Ich frage ihn nach den merkwürdigen Gebäuden an der Straße.

Torhäuser vor Görings ehemaligem Landsitz in der Schorfheide. (Foto: Jörg Levermann)
Torhäuser vor Görings ehemaligem Landsitz in der Schorfheide. (Foto: Jörg Levermann)

„Weiter die Straße runter befand sich einmal die Villa von Göring“, erzählt der Weißhaarige. „Die ist aber zum Kriegsende gesprengt worden“, fügt er hinzu. Die beiden Türmchen seien für das Wachpersonal gewesen, erklärt der Mann. In den Häusern haben die Männer gewohnt. Das sei nun Teil unserer Geschichte.

„Es ist eben eine Frage, wie man heute mit unserer Geschichte umgeht“, erwidere ich. „Ich bin jedenfalls froh, diesen Wahnsinn nicht miterlebt haben zu müssen“, sage ich. Vielmehr komme es doch heute darauf an, dass wir daran arbeiten, dass so etwas nie wieder geschieht. Ich überlege mir, ob ich mir die Relikte der Nazivergangenheit noch anschauen soll, verwerfe aber die Idee und laufe weiter auf der geplanten Route. Dabei geht mir durch den Kopf, dass ich nun sozusagen Trinkwasser aus Görings Vorgarten in den Flaschen habe. Ich vermute aber, dass der Brunnen erst nach dem Krieg gebohrt wurde. Das Wasser war jedenfalls keineswegs braun, es schmeckte nur ein bisschen nach Eisen, aber das ist typisch für Brandenburger Brunnenwasser.

Der Ort Wucker bei Friedrichswalde und die Göring-Villa Carinhall hat mich neugierig gemacht. Wikipedia und andere Quellen bestätigen, was der Bewohner des alten Wachhauses berichtete. Demnach soll Göring in seinem Landsitz Kunstschätze gesammelt haben, die er wegschaffen ließ, als die russischen Truppen 1945 anrückten. Das Anwesen hatte er kurz darauf sprengen lassen.

Radler gibt’s auch für Läufer

In Ahlimbsmühle gibt es frisch gezapftes Radler auch für Läufer. (Foto: Jörg Levermann)
In Ahlimbsmühle gibt es frisch gezapftes Radler auch für Läufer. (Foto: Jörg Levermann)
Idyllische Wiesen, umrahmt von Wäldern am Lübbesee. (Foto: Jörg Levermann)
Idyllische Wiesen, umrahmt von Wäldern am Lübbesee. (Foto: Jörg Levermann)

Gut eine Stunde später wechselt das Landschaftsbild von Wald zu ausgedehnten Wiesen. Bei Ahlimbsmühle am Lübbesee wird die Landschaft offener. Das Gästehaus Ahlimbsmühle wirkt wie ein alter Gutshof, Scheunen, ein größeres Gebäude im Hintergrund, ein Grillplatz. Vor einer Scheune haben es sich einige Urlauber gemütlich gemacht und trinken Bier. Hier haben auch zwei Wohnmobile halt gemacht. Eine Frau fragt mich amüsiert, ob ich meinem geklauten Fahrrad nachrenne. Ich verneine das, erkläre, dass ich nach Templin laufe und antworte mit der Gegenfrage, ob es denn hier auch Radler für Fußgänger gebe? „Mit Sicherheit!“ sagt sie. Die Versuchung ist zu groß, hier einfach vorbei zu laufen – so ganz ohne Erfrischung.

Ich bestelle gleich einen halben Liter. Das kühle, süße Getränk und der Müsliriegel dazu vertreibt das Mittagstief mit frischer Energie. Mir geht’s großartig. Zwanzig Minuten später mache ich mich wieder auf den Weg. Es sind ja nur noch elf Kilometer bis zum Ziel, der Radler- und Jugendherberge in Templin. Mit flotter Musik aus dem Mobiltelefon im Ohr geht es auf dem Radweg weiter nach Templin. Es rollt richtig, als ich etwas mehr Tempo mache – so fern man sechseinhalb Minuten pro Kilometer als Tempo bezeichnen kann – aber es fühlt sich eben so an. Die Strecke führt mich entlang des Lübbesees vorbei an kleinen Ortschaften durch schattige Wälder. Das ist bei den rund 27 Grad Lufttemperatur ganz angenehm. Eine Gruppe Radfahrer zieht an mir vorbei. Wenig später treffe ich sie wieder. Sie haben es zum Picknick am Wegrand gemütlich gemacht.

Herzlicher Empfang in Templin

Erschöpft, hungrig, aber zufrieden komme ich an der Radler- und Jugendherberge an.
Erschöpft, hungrig, aber zufrieden komme ich an der Radler- und Jugendherberge an.

Die letzen Kilometer ziehen sich nun doch in die Länge, denn der Hunger macht sich bemerkbar. Aber das ist nicht schlimm, denn nach wenigen Minuten bin ich am Ziel, lasse mich auf die Bank vor der Herberge plumpsen und stoppe das GPS-Gerät.

„Die Anmeldung können wir ja später machen. Sortieren Sie sich erst mal“, sagt die Herbergsangestellte, als sie mich freundlich in Empfang nimmt. Obwohl ich ein Bett im Gruppenzimmer gebucht habe, könne mir nur ein Bett im Doppelzimmer geben, natürlich zum gleichen Preis. Denn sie habe kurzfristig das Gruppenzimmer komplett belegen müssen. Darüber bin ich überhaupt nicht traurig.

Rund 52 Kilometer habe ich heute in den Beinen und bin zufrieden damit. Am nächsten Tag wollen rund 65 Kilometer nach Neubrandenburg unter die Füße genommen werden. Ich bin gespannt darauf.

Die erste Etappe ist hier nachzulesen. In den nächsten Tagen folgt der Bericht über die dritte Etappe nach Neubrandenburg.

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Trinkwasser aus Görings Vorgarten in der Schorfheide”

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