Rund 70 km im Laufschritt von Frankfurt / Oder nach Eichwalde

Herbstliche Stimmung in Frankfurt am Ufer der Oder, 25. Oktober 2008, 7:25.
Herbstliche Stimmung in Frankfurt am Ufer der Oder, 25. Oktober 2008, 7:25.

Verdammt früh ist es, als am Samstag, 25.10.2008 gegen fünf mich der Wecker aus dem Tiefschlaf holt. Heue ist der Tag! Der lange Lauf von Frankfurt an der Oder nach Eichwalde steht auf dem Plan, rund 71 Kilometer. Keinen Wettkampf, sondern einfach einen Ultra nur so aus Spaß will ich laufen.

In den vergangenen Wochen hatte ich mich darauf vorbereitet, in dem ich an den Wochenenden als lange Läufe jeweils rund 40 Kilometer abgespult hatte. Etwas unheimlich ist mir das schon, so eine lange Strecke allein, ohne Fahrradbegleitung zu laufen, ganz ohne Verpflegungsstellen, nur mit Verpflegung, die ich dabei habe. Die Strecke führt zu großen Teilen durch Wälder und dünn besiedeltem Gebiet. Ein Hauch von echtem Abenteuer! 😉

Vor längerer Zeit hatte ich bei drsl-Experten nachgefragt, wie hoch der Kalorienbedarf bei so einem langen Lauf wohl sein mag, und ob dieser mit Haferflocken zu decken sei. Soweit ich mich erinnere wäre das etwa ein Kilogramm Haferflocken gewesen. Natürlich legt man als Läufer durch die langsamen langen Läufe reichtlich Glykogenreserven an, um genug Energie für einen vierstündigen Lauf bereitstellen zu können. Also packte ich rund 250 g Haferflocken – ganz normale Flocken aus dem Diskounter – in zwei kleine Kunststoffschüsseln, etwas Meersalz und jeweils etwa einen Teelöffel Zucker dazu. Unterweg würde ich das jeweils mit etwas Leitungswasser aus der Trinkflasche anrühren und essen. Zur geschmacklichen Aufwertung kamen noch ein paar Rosinen hinzu. Ferner machte ich mir noch für mein Frühstück unterwegs vier belegte Scheiben Vollkorn-Roggenmischbrot ein, fünf Müsliriegel (keine besonderen, ganz einfache aus dem Supermarkt) und zwei kleine Packungen Salzgebäck. Zu trinken füllte ich zwei Liter Wasser in einen Trinkblister und einen halben Liter Wasser in die Trinkflasche für die Haferflocken.

Auf der Hälfte der Strecke wollte ich mein T-Shirt und Langarm-Shirt wechseln. Alles passte locker in meinen kleinen Sportrucksack, der ein Netz im Rückenteil gespannt hat und im Beckenbereich gut gepolstert ist. Er wird wahrscheinlich etwa drei bis vier Kilo gewogen haben.

5:11 starte ich mit der S-Bahn nach Berlin-Ostbahnhof und fahre mit dem Regionalexpress nach Frankfurt an der Oder. Unterwegs besorge ich mir noch am Ostbahnhof einen großen Becher Kaffe, einen hatte ich mir schon beim Umsteigen am Bahnhof Schöneweide reingezogen. Pünktlich um sieben komme ich in Frankfurt an und mache mich auf den Weg zum selbst gewählten Startpunkt, der Brücke über die Oder nach Slubice, dort wo bis vor einem Jahr noch die Reisenden nach Polen abgefertigt wurden.

Vorherfoto: Kurz vor dem Start zu meinem kleinen Laufabenteuer.
Vorherfoto: Kurz vor dem Start zu meinem kleinen Laufabenteuer.

Zwei Frühaufsteherinnen nötige ich für mich ein Vorher-Foto zu machen, und dann trabe ich auch schon los. Es ist 7:35 und die Sonne geht auf. Eine wunderbare Stimmung an der Oder. Es hat so etwas Melancholisches. Die Orientierung funktioniert mit dem Garmin-GPS problemlos, allerdings machen nach gut einer Stunde die Batterien schlapp, die ich beim Billigheimer Asia-Im-und Export für einen Euro erstanden hatte.

Geplant hatte ich die Strecke mit GoogleEarth, TrialRunner, einer Software zur Laufstreckenplanung auf dem Mac und mit der klassischen Wanderkarte 1:25.000. Die Strecke hatte ich mir auf ein GPS von Garmin (Geko 201) übertragen. Die Wanderkarte hatte ich nur für den Notfall mit. Hier bei jogmap habe ich die Strecke ebenfalls erfasst.

Unterwegs kaufe ich noch eine Packung Batterien und laufe weiter nach Jacobsdorf. Die Oderbrücke liegt laut Garmin etwa 14 m ü. N.N., die höchste Erhebung, die ich nach gut eineinhalb Stunden erreiche etwa 95 m ü. N.N.. Ansonsten ist die Strecke flach. Das Gewicht des Rucksacks ist zwar deutlich zu spüren, aber behindert mich kaum beim Laufen. Die Schultergurte und den Beckengurt muss ich richtig stramm ziehen, damit der Rucksack nicht auf dem Rücken scheuert. Als ich die ersten Schlucke aus dem Trinkblister ziehe, merke ich, wie unangenehm das nach Plastik schmeckt. „Was so schmeckt, kann nicht gesund sein“, denke ich. Aber egal: nun ist es zu spät. Ich trinke das bittere Zeug trotzdem. Vom Frühstück habe ich noch ein belegtes Brot übrig, dass ich nach gut zwei Stunden esse und obendrauf noch einen Müsli-Riegel. Bisher läuft es sich recht gut. Ich habe das Gefühl, noch ewig so weiter laufen zu können.

Entlang der Bahnstrecke, Richtung Berlin geht es weiter nach Berkenbrück. „So ein Mist, ich habe die Weggabelung verpasst“, fluche ich, als ich mal wieder einen Blick auf das Display des GPS werfe. Also laufe ich mehr oder weniger Querfeldein bis ich auf den Waldweg stoße, dem ich weiter folge. Nach wenigen Kilometern finde ich mitten im Wald eine Ferienpension. Die Getränkekarte im Schaukasten vor dem Gartenzaun bietet gezapftes Bier zu D-Mark-Preisen. „Ob das überhaupt noch bewohnt ist?“ frage ich mich. Aber beim Näherkommen sehe ich parkende Autos und höre Stimmen von Leuten. Weiter laufe ich bis Berkenbrück. Als ich den kleinen Ort erreiche bin ich gut vier Stunden unterwegs. Das Laufen fällt mir zunehmend schwerer und ich suche deshalb ein schönes Plätzchen für mein Haferflocken-Picknick. Die Fösterei am Ortsausgang erscheint mir doch recht gemütlich.

Eine Katze hat Appetit auf meine Haferflocken.
Eine Katze hat Appetit auf meine Haferflocken.

Eine Katze leistet mir Gesellschaft und möchte sich ebenfalls an meinen Haferflocken laben. „Nix da! Alles meins!“ verteidige ich meine Mahlzeit und trabe schon bald weiter. Ein weiterer Müsliriegel versüßt die einfache Mahlzeit. Nun laufe ich weiter Richtung Fürstenwalde und erreiche die Stadt gut eine Stunde später.

Noch gut fünf Kilometer bis zur Großen Tränke, dort wo die Spree den Oder-Spree-Kanal verlässt und weiter Richtung Berlin mäandert. Da will ich einen Zwischenstopp einlegen und T-Shirt und Langarm-Shirt wechseln. Mit dem Fleece darüber ist mir überhaupt nicht kalt, obwohl das Ding schon etwas feucht geworden ist. Weiter geht es entlang des Kanals Richtung Wernsdorfer Schleuse. Bis Braunsdorf sind es etwa sechs bis acht Kilometer. Dort gibt es eine Jugendherberge, wo ich frisches Wasser tanke. Ich bekomme Appetit auf etwas Salziges und knabbere im gehen gleich eine ganze Packung von diesen Tuc-Keksen. Das macht durstig, und ich genieße das frische Trinkwasser. Bis Spreenhagen sind es noch etwa fünf Kilometer. Weiter dahinter Richtung Westen liegt Hartmannsdorf, wo ich mein zweites Picknick machen will. Zwischendurch mache ich immer wieder Gehpausen. Mit de Rucksack auf dem Rücken läuft es sich doch ganz anders als nur mit einem Gurt für eine Trinkflasche. Bis Spreenhagen komme ich dennoch gut durch und genieße die schönen Feuchtbiotope direkt am Kanal. Offensichtlich sind das alte Nebenarme der Spree. Idyllisch wirkt das herbstlich in gelben und braunen Farbtönen schwimmende Laub auf der Wasseroberfläche, auf der sich die Bäume spiegeln. Bei dem diesigen Wetter – es sind etwa 8° C – wirken die Farben sehr pastellartig. Auf dem Kanal kommt mir ein Schubschiff entgegen. Ziemlich langsam ist es. Die Berufsschifffahrt nutzt diesen Kanal wohl nur noch sehr selten.

Oder-Spree-Kanal im Herbst.
Oder-Spree-Kanal im Herbst.

Es kommt mir so vor, als werden die Kilometer jetzt immer länger. Bis zum Rastplatz hatte ich das gar nicht so weit in Erinnerung. Ich bekomme Hunger, will aber unbedingt zu diesem Rastplatz, der mit Tisch und Bänken ausgestattet ist. Meine Frau ruft an und erkundigt sich nach meinem Befinden. Es geht mir gut, noch besser geht es mir, als sie den Vorschlag macht, ein paar Flaschen Bier vom Einkaufen mitzubringen. Ah, ein Finisher-Bier!

Es ist halb vier, als ich den Rastplatz am Oder-Spree-Kanal erreiche und meine zweite Portion Müsli genieße. Zum Nachtisch gibt’s noch einen Müsliriegel mit Bananen-Schoko-Geschmackt. Im Gedanken teile ich mir die Strecke bis zur Wernsdorfer Schleuse ein, als ich mich wieder auf den Weg mache. Die ist nicht mehr weit von Berlin-Schmöckwitz entfernt. Dazwischen liegt noch die Autobahnbrücke über den Kanal. Das Laufen fällt mir immer schwerer. Auch wenn der Garmin mir weiß machen will, dass es nur noch 13 Kilometer sind und ich voraussichtlich nur noch eineinhalb Stunden brauchen werde. Immer öfter muss ich jetzt Gehpausen machen. Es dauert noch gut eine dreiviertel Stunde, bis ich die Schleuse im Dunst vor mir sehe und eine Stunde, bis ich dort bin. Weiter geht es entlang des Kanals bis nach Schmöckwitz, immer wieder unterbrochen von Gehpausen. Ich habe keine Lust mehr, ich will nachhause!

Endlich erreiche ich die Dahme-Brücke in Schmöckwitz. Jetzt sind es nur noch rund vier Kilometer. Mir geht es trotzt des stundenlangen Laufens gut. Die beine sind nur eben sehr müde. Meine Knie machen überhaupt keine Zicken. Aber für einen Endspurt reicht der Saft nicht mehr. Noch ein-, zwei Gehpausen, dann trabe ich die Eichwalder Bahnhofstraße unserem Zuhause entgegen.

Am Ziel in Eichwalde
Am Ziel in Eichwalde

Vorsichtig, ganz vorsichtig trabe ich die Treppen am S-Bahnhof hinunter und auf der anderen Seite noch vorsichtiger rauf, dann noch rund 500 Meter, dann ist es geschafft. Nach 10:04:37 stoppe ich die Uhr. Der Garmin zeigt 8:47:30 als Zeit in Bewegung an. 66,3 km hat der Garmin gemessen. Aus der Planung weiß ich aber, dass es 71.2 km sind.

Ich bin froh, es geschafft zu haben, freue mich auf ein heißes Bad und auf mein wohl verdientes Finisher-Bier in Entspannungshaltung auf dem Sofa. Gudrun macht noch ein Nachher-Foto von mir, dann geht’s ab in die Wanne.

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